Wer braucht's und was es bringt
Als ich das erste Mal den Begriff "dokumentarische Fotografie" oder "Reportage" gehört habe, musste ich tatsächlich an klassische Dokus denken. Filme über die Tigerkatze im Dschungel oder die größten Ameisenpopulationen sind vor meinem inneren Auge abgelaufen. Aber damit hat die dokumentarische Fotografie gar nicht so viel zu tun.
Aber worum geht es denn nun?
Es ist ganz einfach! Die dokumentarische Fotografie zeigt die Welt, so wie sie ist. So wunderschön echt und natürlich. Die Fotos entstehen ganz ohne hindrapierte Deko, vorgegebene Körperhaltungen und Leinwände im Hintergrund.
Die Dokumentarfotografie hat eine lange Geschichte. Sie geht zurück in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Erstmals wurde sie für die Dokumentation neu entdeckter Landschaften oder das Abbilden von Kriegen genutzt. Mittlerweile gibt es unzählige Anwendungsbereiche, auch welche in etwas kleinerem Rahmen. Hierzu zählt die Hochzeitsfotografie, Familienfotografie, Kinderfotografie, Kita-Fotografie und Event-Fotografie.
Den Moment festhalten wie er ist.... ehm, das ganze Chaos hier?
Ja, unbedingt! Gerade das – das "Chaos" – macht den Unterschied. Wir werden in unserem Alltag, in diesem "Chaos" groß. Wir leben in ihm. Wir erschaffen ihn sogar. Er ist ein Teil von uns. Das beste Beispiel ist die Familienfotografie. Katalog-Familien existieren nicht. Und das ist auch gut so. Wie furchtbar wäre es, würden wir immer perfekt gestylt sein. Würden die Kinder immer brav mit gekämmten Haar am Tisch sitzen. Würde die Küche aussehen, als wäre sie neu und unbenutzt und das Wohnzimmer wäre nur zum Angucken.
Toll inszenierte Fotos haben natürlich ihre Berechtigung und können wunderschön sein. Sie können aber keine Erinnerungen hervorrufen, sie können kein Gefühl transportieren. Und genau das will die dokumentarische Fotografie. Wenn sich unsere Kinder einmal an ihre Kindheit erinnern, erinnern sie sich nicht an den stets sauberen Küchentisch oder die perfekt sitzende Frisur von Mama.
Sie erinnern sich an lange Sonntagmorgende kuschelnd im Bett, an das eine bestimmte Bilderbuch mit der umgeknickten Ecke, den Sofatisch, unter den man so toll krabbeln konnte, das aufregende Versteck in Papas Kleiderschrank, an das Toben auf dem Sofateppich oder das Geschichtenerzähler am Abenbrottisch. Diese Erinnerungen und ihre dazugehörigen Gefühle werden geweckt, wenn wir unser Leben sehen, so wie es war. Mit jeder Einzelheit und jeder Unperfektheit.
Ok, ok, ich möchte ganz ehrlich sein. Ein kleines "Aber" gibt es:
Zeigt ein Fotograf die Welt, so wie sie ist, macht er das aus seinen Augen. Er sucht sich schließlich den Moment und den Blickwinkel aus. Außerdem halten wir Fotografen mit der Kamera auch nicht "einfach nur drauf". Wir legen Wert auf Bildgestaltung und einer hochwertigen Optik. Wir sind und bleiben Kreative, die Ästhetik lieben.
Was heißt das nun für die dokumentarische Fotografie? Ganz einfach: Chaos wird nicht einfach chaotisch abgelichtet. Die dokumentarische Fotografie versucht das Besondere zu finden und festzuhalten – aus dem richtigen Blinkwinkel, Gefühle einfangend.
Für mich ist dokumentarische Fotografie oder Reportage die schönste Fotografie-Richtung.